Schulleiterinnen und Schulleiter haben ein Anrecht auf eine Altersermäßigung
Die Landesdelegiertenversammlung möge beschließen:
Begründung:
Problem
Den Lehrkräften wird nach § 9 Abs. 1 PflStdVO nach Vollendung des 55. Lebensjahres eine und nach Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 9 Abs. 2 PflStdVO eine weitere Anrechnungsstunde aus Altersgründen gewährt. Schulleiterinnen und Schulleiter werden von dieser Regelung mit der Begründung nicht erfasst, ihre Unterrichtsverpflichtung genüge nicht den im Wortlaut der genannten Vorschriften vorgesehenen Mindestumfängen von mindestens 50 % der Unterrichtsverpflichtung einer Vollzeitlehrkraft.
Rechtliche Würdigung
Die geltende Praxis ist sowohl für die Altersgruppe der über 60-Jährigen als auch für die der 55- bis 60-jährigen Schulleiterinnen und Schulleiter rechtswidrig.
Denn sie widerspricht dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechend Art. 3 GG. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 HBG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 HAZVO (GVBl. I 2009, 758) beträgt für alle Beamten im Lande Hessen nach Vollendung des 60. Lebensjahres die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr 41 Wochenstunden, sondern nur noch 40 Wochenstunden; mithin wird ab Vollendung des 60. Lebensjahres eine Altersermäßigung von einer Wochenstunde gewährt.
Da die HAZVO keine Gültigkeitseinschränkungen für bestimmte Beschäftigtengruppen enthält, ist sie auch für Schulleiterinnen und Schulleiter anzuwenden. Die Sonderregelung in § 60 Abs. 3 HBG für den Schulbereich enthält keine grundsätzliche Nichtanwendbarkeitsklausel für den Schulbereich, sondern nur eine Ermächtigungsgrundlage für eine atypische Arbeitszeitverteilung im Schulbereich, um dessen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Der Altersgruppe der Schulleiterinnen und Schulleiter, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, ist daher bereits unter Bezugnahme auf die verbindliche Vorgabe des § 1 Abs. 1 Satz 1 HAZVO eine Ermäßigung von einer Wochenstunde zu gewähren.
Darüber hinaus widerspricht die Nichtanwendung der Altersreduzierungsregeln auf Schulleiterinnen und Schulleiter auch der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, der verpflichtet ist, seine Beamtinnen und Beamten so zu stellen, dass sie ihren Dienstpflichten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen nachzukommen in der Lage sind. Entsprechend dieses Grundsatzes ist die dargestellte Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 HAZVO ausgestaltet und dementsprechend auch den Schulleiterinnen und Schulleitern, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, zu gewähren.
Für die Altersgruppe der 55- bis 60-jährigen Schulleiterinnen und Schulleiter ist die HAZVO nicht anwendbar, da sie insoweit keine Regelungen enthält.
Für diese Altersgruppe sind vielmehr die Regelungen des § 9 PflStdVO ihrem Sinn entsprechend anzuwenden. Danach sind sowohl Lehrkräfte als auch Schulleiterinnen und Schulleiter aufgrund ihrer vielfältigen beruflichen Tätigkeiten erheblichen Belastungen ausgesetzt, denen der Dienstherr bei der Gruppe der Lehrkräfte zu Recht mit der Gewährung einer Reduzierung der Pflichtstundenzahl begegnet ist. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift wird die Gewährung einer Reduzierung der Pflichtstundenzahl an eine bestimmte Mindeststundenzahl geknüpft, die von den Schulleiterinnen und Schulleitern regelmäßig nicht erreicht wird.
Diese rein wörtliche Rechtsanwendung wird jedoch bezogen auf die Gruppe der Schulleiterinnen und Schulleiter Sinn und Zweck der Entlastungsregelung offensichtlich nicht gerecht.
Denn Schulleiterinnen und Schulleiter sind vergleichbaren beruflichen Belastungen ausgesetzt wie Lehrkräfte und bedürfen daher in entsprechender Weise einer der den Lehrkräften gewährten Entlastung. Dies ergibt sich wiederum aus der bereits dargestellten Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
Die bisherige Praxis geht auch insoweit fehl, als sie bei der Betrachtung der Arbeitszeit allein auf die Unterrichtsverpflichtung abstellt. Diese Vorgehensweise mag aus Praktikabilitätsgründen, da die Unterrichtsverpflichtung die einzig eindeutig messbare Einheit der Lehrerarbeitszeit darstellt, bei Lehrkräften zur Anwendung kommen, auch wenn schon insoweit nicht verkannt werden darf, dass sich die Lehrerarbeitszeit aus vielen weiteren inner- und außerschulischen Bestandteilen zusammensetzt; sie kann daher allenfalls als Anhaltspunkt für die Lehrerarbeitszeit dienen.
Die Zugrundlegung der Pflichtstundenzahl versagt jedoch bei der Erfassung der Arbeitszeit der Schulleiterinnen und Schulleiter gänzlich. Denn diese besteht—wie als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann—nur zum geringsten Teil aus der Erteilung von Unterricht, sondern wird vorrangig durch klassische Führungs-, Leitungs- und Koordinationsaufgaben geprägt, die hier darzustellen den Rahmen sprengen würde. Diese Tätigkeiten entziehen sich—jede für sich genommen—einer Arbeitszeiterfassung (ähnlich wie bei den Lehrkräften) weitgehend und sind einer sinnvollen Kürzung oder Einschränkung kaum zugänglich, ohne deren sachgerechte Aufgabenerledigung zu gefährden.
Wir fordern deshalb:
Nach allem zuvor Beschriebenen ist eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende Lösung der Altersermäßigung für Schulleiterinnen und Schulleiter nur in einer sinngemäßen Anwendung der Regelung des § 9 PflStdVO zu finden, indem allen Schulleiterinnen und Schulleitern, die die altersmäßigen Voraussetzungen erfüllen, die entsprechenden Reduzierungen nach § 9 PflStdVO zu gewähren sind. Die bisherige Verwaltungspraxis der Staatlichen Schulämter ist daher aufzugeben.
Im Namen der IHS-Landesdelegiertenversammlung
Andreas Leibold
IHS-Landesvorsitzender