Antrag – Bekräftigung der Forderungen des Bündnisses für einen kindgerechten Ganztag
Die Landesdelegiertenversammlung möge beschließen:
Begründung:
Der Ausbau der Ganztagsbildung, der sich seit den 2000er Jahren in Deutschland stetig weiterentwickelt, ist neben den Großprojekten der Digitalisierung, Inklusion, dem Lehrkräftemangel sowie den Flüchtlingsbewegungen und den damit verbundenen Herausforderungen eines der zentralen Projekte der bundesdeutschen Bildungspolitik. Der mit dem Schuljahr 2026/27 eintretende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung definiert einen bindenden gesetzlichen Zeitpunkt für eine finale Umsetzung.
Das hessische Kultusministerium sowie die hessischen Schulträger begleiten den Ausbau von hessischen Ganztagesschulen. Hessenweit erleben wir aktuell, ähnlich wie bei der Umsetzung der Digitalisierung, auf Seiten der Schulträger sehr unterschiedliche Umsetzungsgeschwindigkeiten. Aus unserer Sicht stellen perspektivisch der Lehr- und Fachkräftemangel sowie die an hessischen Schulen herrschende Raumnot die größte Herausforderung dar.
Darüber hinaus bekräftigt der IHS mit dem vorliegenden Antrag die Forderungen des Bündnisses für einen kindgerechten Ganztag—im Folgenden kursiv abgebildet—und schließt sich diesen vollinhaltlich an.
„Sollen anspruchsvolle Konzeptionen für den Ganztag entwickelt werden, stehen Herausforderungen an, die durchaus als historisch einzuschätzen sind und die in einer sehr kurzen Zeitspanne bis 2026 bewältigt werden müssen. Daher ist es dringend erforderlich, dass die altersgemäßen Bedürfnisse von Kindern im Grundschulalter zum Ausgangspunkt der fachlichen und politischen Debatte werden. Nur so kann es gelingen, dass der Ganztag zukünftig auch als Raum zur Entfaltung persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung sowie mit Freude und Spaß erfahren werden kann. … Bitte beziehen Sie die folgenden Aspekte in die anstehenden Planungs- und Entwicklungsprozesse mit ein, damit die Ganztagsförderung in Hessen ab 2026/27 zu einem gelungenen Vorhaben wird und die vorhandenen Reformpotentiale im Sinne aller Kinder genutzt werden!
- Die ganztägige Bildung, Betreuung und Förderung muss vom Kind aus gedacht und konzipiert werden. Die Rechte der Kinder sowie ihre individuellen Bedürfnisse und Interessen müssen im Fokus stehen. Ein kindgerechter Ganztag gibt Kindern neue Impulse und Anregungen, ermöglicht Bewegung und Erholung, bietet Geborgenheit und Sicherheit, eröffnet aber auch Gelegenheiten zum Ausruhen, Nichtstun und zur Kontemplation. Er hält Freiräume offen und schließt Formen altersgerechter Mitbestimmung mit ein.
- Von Anfang an muss die Kinder- und Jugendhilfe, die einen wesentlichen Anteil an der Umsetzung des Rechtsanspruchs leisten wird, auf allen Makro- und Mikroebenen in die Konzeptions- und Planungsprozesse einbezogen werden. Denn der anstehende Reformprozess setzt eine gemeinsame Verständigung zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfe über die Zielperspektiven sowie über eventuelle Bedarfe der Neuorientierung und Professionalisierung auf beiden Seiten voraus.
- Der Ganztag muss gemäß dem SGB VIII einen Beitrag dazu leisten, dass sich jedes einzelne Kind zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann. Ferner sollen junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung gefördert und Benachteiligungen abgebaut werden, denn der Ganztag soll einen wesentlichen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten. Dies setzt ein hochwertiges, inklusives und kostenfreies Bildungsangebot voraus, das alle Dimensionen der sozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung des Kindes thematisiert.
- Die Qualifikation des Personals muss sich an diesen Anforderungen und an den pädagogischen Grundprinzipien der Kinder- und Jugendhilfe ausrichten und eigens für die Arbeit an Grundschulen konzipiert werden. Angesichts des gravierenden Fachkräftemangels muss baldmöglichst die Entwicklung von Qualifizierungs-, Fort- und Weiterbildungsformaten unter der Beteiligung von Wissenschaft und Praxis angestoßen werden.
- Der Ganztag an Grundschulen sollte bis 14:30 Uhr gebunden und rhythmisiert sein. Der daran anschließende fakultative Nachmittag (ab 14:30 Uhr) sollte durch eine inhaltliche und methodische Vielfalt sowie durch eine Öffnung in den Sozialraum geprägt sein. Dies fördert die Trägervielfalt und eröffnet Kindern die Möglichkeiten eines facettenreichen Bildungsangebots.
- Kinder brauchen auch zukünftig ausreichend zeitliche Freiräume außerhalb des Ganztags. Sie müssen die Freiheit haben, jenseits von Schule selbstbestimmten Freizeitbeschäftigungen und privaten Interessen nachzugehen.
Abschließend halten wir fest, dass die Organisation eines gelingenden Ganztages zu den originären Aufgaben von Schulleitungen zählt. Für eine gelingende Organisation benötigt Schulleitung Leitungszeit, die wir in einem separaten Antrag definieren. Darüber hinaus benötigen Schulleitungen die Unterstützung von Ganztageskoordinatorinnen und -koordinatoren.
Es ist unser Anliegen, bereits vor dem gesetzlichen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz im Schuljahr 2026/2027 die Grundlagen für einen qualitativ hochwertigen und kindgerechten Ganztag zu schaffen. Der IHS ist bereit, aktiv an diesem Prozess mitzuwirken und steht für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung.
Im Namen der IHS-Landesdelegiertenversammlung
Andreas Leibold
IHS-Landesvorsitzender